Informationen für Menschen nach einem Trauma

Sie lesen oder hören diese Information, weil Sie wahrscheinlich auf Ihrem Weg hierher oder schon in Ihrer Heimat Erlebnisse hatten, die für Sie sehr bedrohlich oder schmerzhaft waren. Vielleicht mussten Sie extreme Unsicherheiten oder auch Todesängste ausstehen, vielleicht haben Sie Ihnen nahestehende Menschen verloren. Sie haben es geschafft, zu überleben, dabei aber wahrscheinlich sehr extreme Erfahrungen gemacht. Unser Körper und unsere Seele reagieren auf solche Erfahrungen mit Symptomen, die Sie sich vermutlich nicht erklären können.

Möglicherweise fühlen Sie sich verändert und verstehen sich selber nicht mehr. Vielleicht sind Sie z.B. traurig oder energielos, erleben sich als angespannt, reizbar oder aggressiv, haben Ängste oder Schuldgefühle oder können gar nichts mehr fühlen. Möglicherweise können Sie schlecht schlafen haben Alpträume oder werden von dem Erlebten „verfolgt“, sehen immer wieder die Bilder davon vor sich.

Diese Symptome als Reaktionen auf extrem unsichere Lebenssituationen oder erlebte Gewalt sind erst einmal normal und zeigen, dass die Seele versucht, sich mit einem "Notfallprogramm" selber zu helfen.

Was ist ein Trauma?

Ein für uns unfassbares oder lebensbedrohliches, unkontrollierbares Ereignis nennen wir ein Trauma. Naturkatastrophen oder schwere Schicksalsschläge können genauso traumatische Ereignisse sein wie Kriegserlebnisse, willkürliche körperliche oder sexuelle Gewalt. Die von Menschen absichtlich verursachten Traumata sind schwerer zu verarbeiten.

Für die meisten Menschen stellen solche Erfahrungen seelische Katastrophen dar. Ihr Körper und ihre Seele reagieren auf die extreme Situation, und die Betroffenen fühlen sich krank. Das ist eine normale Reaktion des Körpers und der Seele auf die unnormalen Geschehnisse, die sie erleben mussten.

Die Folgen eines Traumas sind für jeden einzelnen Menschen unterschiedlich und führen nicht bei jedem Menschen dazu, dass er krank wird. Ob und wie sich ein Mensch von seiner traumatischen Erfahrung erholt, hängt auch viel von seinem sozialen Umfeld – also Freunden und der Familie -, seinen Lebensbedingungen und natürlich davon ab, ob er sich nach dem Trauma endlich wieder in Sicherheit befindet. In jedem Fall braucht die Verarbeitung und die Genesung Zeit.

Wie reagiert unser Körper bei einem Trauma?

Ein Trauma wirkt auf den Menschen wie extremer Stress. Im Verlauf der menschlichen Entwicklung haben sich Mechanismen herausgebildet, die auf solche Notfallsituationen zugeschnitten sind. Man nennte sie Stressreaktionen, die einmal in Gang gesetzt, ganz automatisch ablaufen: unser Gehirn schüttet Hormone (z.B. Adrenalin) aus und versetzt damit unseren Körper und unseren Geist in Alarmbereitschaft. Hierbei handelt es sich um ein Schutzsystem des Menschen, das seinem Überleben dienen soll.

Der Körper reagiert instinktiv: das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, die Muskulatur spannt sich an, die Pupillen verengen sich und der Geist ist hellwach. Der Mensch ist bereit für 3 mögliche Reaktionen:

  1. zu kämpfen und wenn möglich den Gegner zu überwältigen
  2. zu fliehen und möglichst der Gefahr zu entkommen
  3. zu erstarren, wenn Kampf oder Flucht nicht mehr möglich sind

Halten die äußeren Umstände, welche diese Anspannung auslösen, weiter an, kommt es zu einer veränderten Reaktion der Stresssysteme: Körpereigene Opiate werden freigesetzt, das Schmerzempfinden wird gehemmt, Blutdruck und Herzfrequenz sinken, die Muskulatur wird schlaff. Es kommt insgesamt zu einer Art Betäubung, die es ermöglicht, eine überwältigende Erfahrung nicht bei vollem Bewusstsein zu erleben. Allerdings werden dann auch die Ereignisse in dieser Zeit nicht genau abgespeichert. Handlungsabläufe, Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen können dann nicht im Zusammenhang mit dem Erlebten erinnert werden.

Extrem starke und/oder sehr langandauernde Belastungen führen aber dazu, dass die eben beschriebenen Stressreaktionen viel länger anhalten, als es unsere angeborenen Mechanismen vorsehen. Das wiederum führt dazu, dass die Stresshormone bei den Betroffenen ständig erhöht sind. Dadurch können die verschiedenen Teile unseres Gehirns nicht mehr gut zusammenarbeiten, in denen die mit der traumatischen Erfahrung verbundenen Handlungen, Gefühle, Gedanken und körperlichen Empfindungen, gespeichert sind. Ohne diese Verknüpfung zwischen dem Erlebten und den dazugehörigen Gefühlen kann die schlimme Erfahrung aber nicht in einen Gesamtzusammenhang gebracht werden.  Deswegen gelingt es den Betroffenen nicht, die Erkenntnis zu entwickeln: „Es ist vorbei. Ich habe es überlebt.“ (Obwohl die Betroffen wissen, dass es vorbei ist, fühlt es sich für sie aber nicht wirklich so an.)

Welche Symptome können bei einem Trauma auftreten?

So lange es der Seele noch nicht gelungen ist, das Trauma zu verarbeiten, kommt es zu typischen Trauma-Symptomen:

  1. Symptome der gesteigerten Erregung: hierzu gehören Schlafstörungen, Albträume, das Herz kann schneller schlagen, die Betroffenen sind schreckhaft, innerlich unruhig und sehr oft auch leicht reizbar. Das hängt damit zusammen, dass der Körper immer noch Adrenalin ausschüttet. Dies tut er, weil das Trauma noch nicht verarbeitet werden konnte. Das Überlebenssystem interpretiert deshalb immer noch Situationen als gefährlich, die es gar nicht sind. Der Körper hat noch nicht verstanden, dass die Gefahr vorüber ist.
  2. Vermeidungsreaktionen: Das Trauma immer und immer wieder zu erleben, ist sehr belastend. Deswegen versuchen viele Betroffene die Erinnerungen dadurch zu kontrollieren, indem sie alles vermeiden, was sie an das Trauma erinnern könnte, z.B. Menschen, Menschenmengen, bestimmte Orte oder Gedanken, Gerüche, Kleidung usw., die mit dem Trauma verbunden sind.
  3. Sich wiederholende, quälende Erinnerungen an das Trauma: hier erleben Menschen Szenen eines traumatischen Ereignisses wie einen Film oder einen Ausschnitt aus einem Film immer wieder. Dies kann im wachen Zustand, aber auch im Schlaf (Alpträume) geschehen. Neben Bildern können das auch Gerüche, Geräusche, Schmerzen oder andere Körperempfindungen sein. Eine besonders intensive Form des Wiedererlebens sind sogenannte Flashbacks: diese treten meist sehr plötzlich auf, das Wiedererleben des Traumas ist sehr lebhaft und von starken Emotionen begleitet. Es ist, als würde die traumatische Situation noch einmal durchlebt. Dies kann nicht nur belastend, sondern auch beängstigend sein.

Die Schwere der Reaktion des Einzelnen auf ein Trauma hat nicht allein mit der Schwere des Traumas zu tun, das dieser Mensch erlitten hat. Das Ausmaß der Reaktion auf ein Trauma hängt auch mit seiner subjektiven Überforderung durch das traumatische Ereignis und wie unerwartet es eintrat und dem damit verbundenen Kontrollverlust zusammen. Eine wichtige Rolle spielt auch, welche Unterstützung der Einzelne nach dem Trauma erhält. Niemand kann genau vorhersagen, ob ein Mensch mit einem Trauma alleine fertig wird oder nicht.

  • Hinweis: Wenn Sie sich nach 6 Monaten immer noch sehr stark mit einem Trauma auseinandersetzen und unter den eben beschriebenen Symptomen leiden, kann es sein, dass Sie Hilfe benötigen, das Trauma zu verarbeiten. Dafür können Sie nichts! Sie brauchen wahrscheinlich fachkundige Hilfe.
    Die Behandlung der seelischen Folgestörungen eines Traumas ist eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Therapie. Sobald Sie die Möglichkeit haben, suchen Sie sich eine/n PsychiaterIn oder eine/n Psychotherapeutin, die sich mit Traumatherapien auskennen. Bitte beachten Sie, dass Sie mit längeren Wartezeiten rechnen müssen.
    Aus diesem Grund bieten wir Ihnen auf dieser Homepage Möglichkeiten zur Selbsthilfe an. Wenn Sie diese Übungen durchführen, unterstützen Sie Ihren Körper und Ihre Seele bei ihrem Versuch zu heilen.

Tipps und Selbsthilfemöglichkeiten

  1. Sorgen Sie für regelmäßige körperliche Bewegung. Bewegung hilft Ihnen, überschüssige Stresshormone, die für die körperliche Anspannung verantwortlich sind, abzubauen.
  2. Wenn Sie Angst haben, konzentrieren Sie sich auf Ihren Körper. Nehmen Sie achtsam irgendeinen Teil Ihres Körpers wahr, konzentrieren Sie sich darauf und betrachten Sie ihn.
  3. Erstellen Sie Ihre persönliche Ressourcenliste. Ressourcen sind Kraftquellen. Es sind Ihre persönlichen Talente, Fähigkeiten und Hobbys, aber auch Ihre Familie und Freunde, einfach alles, was Ihnen guttut, gehört dazu.
  4. Wenn Sie Teile des Traumas wiedererleben (einen Flashback haben), gehen Sie bitte wie folgt vor.
     
    Sagen Sie sich:

    Im Augenblick empfinde ich (benennen Sie Ihre augenblicklichen Emotionen, z.B. Panik oder Angst) und ich spüre in meinem Körper (beschreiben Sie Ihre augenblicklichen Körperempfindungen, nennen Sie mindestens drei z.B. wie mein Herz schlägt, wie mein Puls rast und meine Beine wie Pudding werden), weil ich mich erinnere an (nennen Sie nur die Art des Traumas, keine Einzelheiten, z.B. wie die Bomben einschlugen).

    Gleichzeitig schaue ich um mich und stelle fest, wo ich jetzt bin: im Jahr (nennen Sie das aktuelle Datum), hier in (nennen Sie den Ort, an dem Sie gerade sind, z.B. Solingen) und ich sehe (beschreiben Sie einige der Dinge, die Sie jetzt und an diesem Ort sehen, z.B. einen Schrank, eine Pflanze, ein Haus, meine Kinder) und deshalb weiß ich, dass (nennen Sie wieder nur die Art des Traumas, sonst nichts) jetzt nicht mehr geschieht.
  5. Nutzen Sie Ihre Vorstellungskraft! Wir sind in der Lage, uns Dinge vorzustellen oder sie uns „auszumalen“ und können auf diesem Weg angenehme Gefühle in uns erzeugen. Die Hirnforschung hat bewiesen, dass Vorstellungen unser Gehirn fast genauso beeinflussen und formen können wie echte Erfahrungen. Als Unterstützung finden Sie auf dieser Homepage unter „Selbsthilfe“ Vorstellungsübungen, die Sie bei Ihrem Heilungsprozess unterstützen können.
  6. Wenn im Kopf das Grübeln oder die Gedanken an die schlimmen Ereignisse nicht aufhören wollen, hilft es Ihnen vielleicht das Gehirn mit anderen Dingen zu beschäftigen:

    Manchmal hilft es schon, wenn Sie Ihre Sitz- oder Liegeposition verändern, in ein anderes Zimmer gehen (Um Ihren Körper in eine andere Position zu bewegen, muss Ihr Gehirn viel tun.) oder mit anderen Menschen über ein völlig anderes Thema reden.

    Man kann versuchen, sich auf eine schöne Erinnerung zu konzentrieren oder auf einen regelmäßigen Vorgang aus dem bisherigen Arbeits- oder Alltagsleben. In Gedanken können Sie sich z. B. vorstellen, dies jemand anderem sehr genau mit allen Details zu schildern.
    Oder beschäftigen Sie Ihr Gehirn mit anstrengenderen Dingen: Rechenaufgaben lösen, Schach spielen, Konzentrationsspiele im Computer oder Handy.

    Nutzen Sie alle Sinne, um sich wieder auf die Gegenwart einlassen zu können. Essen oder trinken Sie, riechen Sie z.B. an Blumen oder Kaffee oder anderen angenehmen Gerüchen. Bennen Sie die Gegenstände in Ihrer Umgebung. Bennen Sie die Geräusche, die Sie hören.
    Ausmalbücher (z.B. Mandalas) fordern hohe Aufmerksamkeit und helfen vielen Menschen, sich wieder auf die Realität zu konzentrieren.
  7. Die Vorstellung, dass es immer gut ist, seine belastenden Erfahrungen genauestens zu erklären bzw. ausführlich darüber zu reden, beruht auf überholten Behandlungsvorstellungen. Heute wissen wir, dass es viel innere Stärke braucht, um sich an die schlimmen Dinge genau erinnern zu können. Sprechen Sie daher nicht darüber, solange sie sich nicht stark genug dafür fühlen. Und lassen Sie sich nicht ausfragen! (Sie dürfen „nein“ sagen, wenn man Sie danach fragt!)
  8. Den meisten Menschen hilft es, sich bewusst zu machen, dass es neben dem Schrecklichen trotzdem Gutes oder Freude machendes in ihrem Leben gibt. Versuchen Sie, sich genau das immer wieder vorzustellen.
  9. Tun Sie etwas, was Ihnen Freude macht! Nichts ist hilfreicher, als Dinge zu tun, die man gerne tut. Wenn Sie das Gefühl haben, nichts bereitet Ihnen heute Freude, tun Sie trotzdem die Dinge, die Ihnen vor dem Trauma Freude bereitet haben.
  10. Suchen Sie Kontakt zu anderen Menschen. Sprechen Sie mit ihnen, auch über Ihre alltäglichen Sorgen. Lachen Sie mit ihnen, tauschen Sie sich aus.
  11. Sagen Sie „ja“ zu Ihrem Leben. Niemand kann das Geschehene ungeschehen machen, aber Sie können sich helfen, wieder am Leben teilzuhaben.

Selbsthilfe mit Übungen

Wenn Sie diese Seite interessiert, haben Sie wahrscheinlich vor kurzer Zeit Schweres erfahren. Möglicherweise fühlen Sie sich verändert und verstehen sich selber nicht mehr. Vielleicht sind Sie z.B. traurig oder energielos, erleben sich als angespannt, reizbar oder aggressiv, haben Ängste oder Schuldgefühle oder können gar nichts mehr fühlen. Möglicherweise können Sie schlecht schlafen haben Alpträume oder werden von dem Erlebten „verfolgt“, sehen immer wieder die Bilder davon vor sich.

Die folgenden Übungen haben vielen anderen Menschen in ähnlichen Situationen geholfen, sich zumindest etwas besser und handlungsfähiger zu fühlen.

Lesen Sie — wenn möglich — die Übungen vorher und entscheiden Sie, welche Übungen für Sie hilfreich sein könnten. Dann wählen Sie eine oder zwei davon aus und führen Sie sie regelmäßig aus. Manche Menschen erleben schon rasch deutliche Erleichterung, andere müssen über eine längere Zeit hinweg regelmäßig üben.